Red Hot + Fela
Exzellentes Tribute
Fela Kuti – Die Global-Pop-Ikone aus Nigeria erlebt zur Zeit eine Renaissance. Zu seinem 75. Geburtstag erscheint eine exzellent besetzte Tribute-Compilation der Aidshilfe: “Red Hot + Fela” versammelt Neuinterpretationen seiner Klassiker.
Sie haben jahrelang an diesem Projekt gearbeitet: Paul Heck und Anthony Demby von der Aids-Bekämpfungs-Organisation “Red Hot” in New York. Ihr Zieldatum: der 15. Oktober 2013, an diesem Tag wäre Fela Kuti 75 Jahre alt geworden. Wenn er nicht 1997 an Aids gestorben wäre, im Alter von 58 Jahren. Grund genug, die Einnahmen des Tribute-Albums an Aids-Projekte zu spenden.
Beeindruckende Gästeliste
Was würde Fela Kuti zu diesen 13 Neubearbeitungen sagen, wenn er noch leben würde? “Fela wäre beeindruckt”, glaubt sein ehemaliger Manager Rikki Stein aus London. Und zwar darüber, dass “sich all diese Musiker wirklich die Zeit genommen haben, seine Musik mit viel Respekt neu zu interpretieren”. Die Bandbreite unter den Gästen ist beeindruckend. Aus Südafrika ist Spoek Mathambo auf zwei Stücken vertreten, aus Kenia machen Just A Band mit, der in Brüssel lebende Kongolese Baloji ist ebenfalls für zwei Coverversionen engagiert worden. “Felas Musik verbindet rhythmisch das Beste aus verschiedenen Bereichen wie Funk und Latin”, so Baloji. Gleich auf dem ersten Track “Buy Africa” greift er die Kapitalismuskritik von Fela Kuti auf – und ordnet sie aus seiner Perspektive neu ein. “Red Hot + Riot” – so hieß vor elf Jahren das erste Tribute-Album mit schon damals exzellenter Gästeliste. Die US-Politrapper von Dead Prez und Ex-Fela-Schlagzeuger Tony Allen sind auch diesmal wieder dabei.
Fela revisited
Interessant ist, dass Felas Söhne Femi und Seun nicht auf der neuen CD mitmachen – zumindest Femi war bei der ersten Ausgabe dabei, zusammen mit seiner Band Positive Force. Die “Red Hot + Riot”-Ausgabe lieferte sogar Radiohits durch die Beteiligung von Sade und Kelis. Gemessen daran ist die neue Ausgabe ein Stück undergroundiger und zugleich auch zukunftsweisender. Denn es sind HipHop- und Soulkünstlerinnen wie Akua Naru oder Nneka, die diesmal den Ton angeben. Nneka hat als Kind zuhause in Nigeria viel Musik von Fela Kuti gehört. Und die in Köln lebende Poetin Akua Naru war schlichtweg begeistert von der Liste der Kolleginnen und Kollegen. Die Tatsache, dass sie zusammen mit Angelique Kidjo, den Tuneyards sowie Questlove von The Roots im Studio war, habe auch einen positiven Druck aufgebaut, so Akua Naru hinterher.
Das neue Afrika
Wie aber soll man als Künstlerin mit der Tatsache umgehen, dass Fela Kuti Zeit seines Lebens sexuelle Freizügigkeit gepredigt und parallel 27 Frauen geheiratet hat? Die musikalische Antwort darauf gibt’s im Song “Lady”. Er startet mit einem typischen Afrobeat-Intro und knackigen Bläsersätzen. Der gemeinsame Gesang von Merril Garbus, Mitglied der Avantgardband Tuneyards, Akua Naru und Angelique Kidjo ist kraftvoll und selbstbewusst. Die Botschaft: Seht her, wir sind das moderne, weibliche Afrika.
Afrobeat meets Indie-Avantgarde
Herausragend ist auch die epische Version des Titels “Sorrow Tears And Blood”, ursprünglich 1977 erschienen – als Fela Kutis Manifest gegen Polizei- und Militärgewalt. Hintergrund war die damalige gewalttätige Zerstörung der “Kalakuta Republic”, eine von dem Künstler gegründete Kommune in Lagos. Das habe ihn nur stärker gemacht, so Kuti später. Im Text heißt es: “Jemand ist beinahe gestorben, und andere sind tatsächlich gestorben”. In der neuen Version hat Tunde Adebimpe – seine Mutter stammt aus Nigeria – von der Band TV On The Radio diese Zeilen eingesungen, ganz sanft. Gerade das verleiht dem Stück seine unnachahmliche Kraft. Dazu kommen die Streicher des New Yorker Kronos-Quartetts, die bisher noch nie eine Komposition von Kuti gespielt hatten. Adebimpe sagt: “Die Musik von Fela hat eigentlich alles beeinflusst, was ich jemals gemacht habe!”. Der Initiator dieser ungewöhnlichen Kombination war der Saxophonist Stuart Bogie, der auch im Broadway-Musical “Fela” eine wichtige Aufgabe übernommen hatte. Im Grunde bildeten seine Neu-Kompositionen die Grundlagen für das gesamte Projekt. Der Musical-Hauptdarsteller Sahr bekommt auf dem Track “ITT” auch seinen Part.
Luftige Versionen und “downsizing”
Auf “Go Slow” wird der ausschweifende Powersound von Fela zu einer Soulballade konzentriert. Und in dem 14-Minuten-Epos “Trouble Sleep Yanga Wake AM” steckt die ganze Lebensgeschichte des Freiheitskämpfers und musikalischen Freigeists Fela Kuti. Er war ein genialer Perfomer, hatte aber auch melancholische und tragische Seiten. So leugnete er kurz vor dem Tod noch seine Infizierung mit dem HI-Virus. Als die Krankheit ihn schon sichtbar zeichnete, sprach er davon, nun werde sein Körper in einen neuen, spirituellen Zustand transformiert. Niemand weiß, ob ihm das gelungen ist. Aber die Transformierung der Musik von Fela Kuti in ein Dutzend neuer musikalischer Aggregatzustände ist geglückt.