Habib Koité & Miss Platnum: Heimatliebe und Neugeburt
Zwei Jahre nach dem Militärputsch in Mali plädiert Superstar Habib Koité auf seinem neuen Album für Zusammenhalt – gerade jetzt. Und die Berliner Balkan-Braut Miss Platnum erfindet sich neu: weniger Balkan, dafür Texte auf Deutsch.
Habib Koité: Soô (Contrejour/Broken Silence)
Seit 20 Jahren ist Habib Koité auf internationalen Konzertbühnen unterwegs, um die Klänge und Rhythmen des Vielvölkerstaates Mali zu präsentieren. Auf seinem neuen Album “Soô” geht es deshalb vor allem um den Zusammenhalt – und das fast genau zwei Jahre nach dem Militärputsch.
Heimatverbundenheit
Habib Koité hat sich ganz bewusst dafür entschieden, in Mali zu bleiben – und nicht ins Exil nach Europa zu gehen. Im Titelsong des Albums “Soô” besingt er die Kraft der Freundschaft. Denn jene Freunde, mit denen man schon in der Kindheit zuhause draußen gespielt hat, blieben auf immer Freunde. Koité: “Der Song handelt davon, wie wichtig es ist, einen Ort zu haben, an dem man sich wohl fühlt, wo man aufgewachsen ist, Familie, Freunde, Erinnerungen hat”. Er sei viel unterwegs gewesen und habe ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass man den Verlust des Zurückgelassenen spüre. Gerade in dieser Situation, in der sich viele Leute in der Heimat nicht mehr wohl und sicher fühlen, möchte er ihnen Mut zusprechen, für eine bessere Zukunft zu arbeiten – nicht im Ausland, sondern zuhause.
Geschichtenerzähler
Koité ist in eine Griot-Familie hineingeboren worden, seine Vorfahren waren Geschichtenerzähler und so war eine Karriere als reisender Troubadour quasi vorherbestimmt. Koité: “Ich habe schon immer in verschiedenen Sprachen gesungen, einer meiner größten Erfolge hatte sogar einen Text auf Tamaschek, der Tuareg-Sprache”. Dies spiegelt auch den Reichtum malischer Kultur wider. Koité ist stolz auf die Tradition. Als Student am Konservatorium in Bamako widmete er sich der europäischen Musik und spielte parallel in den Clubs internationalen Pop. Der Durchbruch kam Ende der 80er Jahre mit der eigenen Band Badama. Seither tritt er überall auf der Welt auf, bei uns zuletzt beim Afrika-Festival vor einem Jahr.
Neue, junge Musiker
Mit dem Koraspieler Tounami Diabaté und dem Ngoni-Virtuosen Bassekou Kouyaté sind zwei Superstars aus Mali als Gäste auf dem Album dabei. Im gemeinsamen Stück “Tenere” geht’s um die Mandingo-Kultur mit ihrem Westafrika-Blues. Koité hat außerdem mehrere junge Musiker an Bord geholt, sie spielen unter anderem Handperkussion, Buschharfe und Spießlaute. Dafür gibt es kein Schlagzeug mehr, was für den Klang eine ziemlich radikale Veränderung ist. Für Koité ist es wichtig, dass seine Bandmitglieder verschiedenen Ethnien angehören. Er war nach eigener Aussage darum bemüht, die Mikrokulturen, die verschiedenen Volksgruppen von Mali miteinander zu verknüpfen.
Fußballsong und die Piaf
Die Kinder jagen dem runden Leder nach – auch in den Straßen von Bamako, der Hauptstadt von Mali. Darum geht’s im Fußballsong “Balontan” – im WM-Jahr 2014 fast unabdingbar. Habib Koité verneigt sich auf dem Album aber auch vor Edith Piaf. Sie schaffe es in genialer Weise, über die Liebe zu sprechen, “davor ziehe ich meinen Hut”.
Miss Platnum: Glück und Benzin (Four Music)
Ruth Maria Renner alias Miss Platnum hat lange gebraucht, um eine eigene Marke zu werden. Nach ihrem Platin-Erfolg mit dem Projekt “Lila Wolken” geht’s für die Berlinerin mit rumänischen Wurzeln jetzt so richtig los.
Imagewandel: deutsche Texte
Auf ihrer Website steht: “Miss Platnum ist tot”. Gemeint ist die lustige Kunstfigur, die zusammen mit Peter Fox und einer rumänischen Blaskapelle durch die Hauptstadt gezogen war – mit der Textzeile “Come marry me!”. Ruth Maria Renner stammt aus Rumänien und hatte einige Jahre lang den Balkan-Pop á la Shantel als ihr Ding entdeckt. Aber dieser Hype ist vorbei. Wer ihr Debütalbum “Rock me” von 2005 kennt, weiß: Miss Platnum wollte sowieso immer eher in Richtung R&B gehen. Nun macht sie Pop mit deutschen Texten und schrammt zuweilen haarscharf am Schlager vorbei. Als Vorbereitung hat Ruth gern mal Platten von Hildegard Knef aufgelegt.
Selbskritik eingebaut
Dass die Fallhöhe durchaus hoch ist, weiß Miss Platnum. Man spürt in den Texten auch Selbstzweifel: sie macht in “99 Probleme”, ihrer Vorabsingle, sogar den Druck der Plattenfirma zum Thema, nach dem Megaerfolg von “Lila Wolken” doch jetzt bitteschön ein neue paar Hits abzuliefern. Ihr Kommentar: “Hör dir meine alten Alben an, alles schon gesagt”. Wichtiger für die Karriere waren aber die Gastauftritte der vergangenen Jahre. Miss Platnum hatte von Anfang an Unterstützer und Freunde, von den Fantastischen Vier über Peter Fox bis zu Marteria und Yasha. Das zahlt sich letztlich aus, um selbst zur Marke zu werden. Coach Hire in Manchester
Beats von den Krauts
Das Produktionsteam “The Krauts” hat auch diesmal wieder die Beats für Miss Platnum gebastelt. Yashas Bruder David Conen bildet zusammen mit Vincent von Schlippenbach sowie dem Kölner Dirk Berger das Erfolgstrio. Auch wenn Balkan-Pop für Miss Platnum mittlerweile fast abgehakt ist, gibt’s wenigstens einen Track mit Ghettotech-Anleihen (“Letzter Tanz”). Die Single “Glück und Benzin” hingegen ist stilistisch ganz klar auf der Linie von “Lila Wolken”: langsame Beats, R&B-Gesang, das Ganze tiefergelegt mit fetten Bässen. Auch wenn Miss Platnums neues Solowerk keine Riesenhits abwirft: auf den Festivals wird sie bestimmt die Party-Knaller live spielen. Auf dass sich die Wölkchen lila färben.